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Der traurige Mönch
(Nach einer Sage)
 
In Schweden steht ein grauer Turm,
herbergend Eulen, Aare;
gespielt mit Regen, Blitz und Sturm
hat er neunhundert Jahre;
was je von Menschen hauste drin,       
mit Lust und Leid, ist längst dahin.
 
Der Regen strömt, ein Reiter naht,
er spornt dem Ross die Flanken;
verloren hat er seinen Pfad
in Dämmerung und Gedanken;
es windet heulend sich im Wind
der Wald wie ein gepeitschtes Kind.
 
Verrufen ist der Turm im Land,       
dass nachts, bei hellem Lichte,
ein Geist dort spukt in Mönchsgewand,
mit traurigem Gesichte;
und wer dem Mönch ins Aug‘ gesehn,
wird traurig und will sterben gehn.
 
Doch ohne Schreck und Grauen tritt
ins Turmgewölb der Reiter,
er führt herein den Rappen mit,
und scherzt zum Rösslein heiter :       
„Gelt du, wir nehmen’s lieber auf
Mit Geistern, als mit Wind und Trauf ?“
 
Den Sattel und den nassen Zaum
entschnallt er seinem Pferde,
er breitet sich im öden Raum
den Mantel auf die Erde,
und segnet noch den Aschenrest
der Hände, die gebaut so fest.
 
Und wie er schläft und wie er träumt
Zur mitternächt’gen Stunde,
weckt ihn sein Pferd, es schnaubt und bäumt,
hell ist die Turmesrunde,
die Wand wie angezündet glimmt;
der Mann sein Herz zusammennimmt.
 
Weit auf das Ross die Nüstern reißt,
es bleckt vor Angst die Zähne,
der Rappe zitternd sieht den Geist
und sträubt empor die Mähne;
nun schaut den Geist der Reiter auch
und kreuzet sich nach altem Brauch.
 
Der Mönch hat sich vor ihn gestellt,
so klagend still, so schaurig,
als weine stumm aus ihm die Welt,
so traurig, o wie traurig!
Der Wandrer schaut ihn unverwandt,
und wird von Mitleid übermannt.
 
Der große und geheime Schmerz,
der die Natur durchzittert,
den ahnen mag ein blutend Herz,
den die Verzweiflung wittert,
doch nicht erreicht – der Schmerz erscheint
im Aug‘ des Mönchs, der Reiter weint.
 
Er ruft : „O sage, was dich kränkt?
Was dich so tief beweget?“
Doch wie der Mönch das Antlitz senkt,
die bleichen Lippen reget,
das Ungeheure sagen will,
ruft er entsetzt: „Sei still! Sei still!“ –
 
Der Mönch verschwand, der Morgen graut,
der Wandrer zieht von hinnen;
und fürder spricht er keinen Laut,
den Tod nur muss er sinnen;
der Rappe rührt kein Futter an,
um Ross und Reiter ist’s getan.
 
Und als die Sonn‘ m Abend sinkt,
die Herzen bänger schlagen,
der Mönch aus jedem Strauche winkt,
und alle Blätter klagen,
die ganze Luft ist wund und weh –
der Rappe schlendert in den See.
 
(Nikolaus Lenau)

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