Die Lebensregel von Baltimore
(Desiderata)
Geh deinen Weg gelassen inmitten von Lärm und Hektik
und denke an den Frieden, der in der Stille wohnt.
Bemühe dich, mit allen Menschen auszukommen,
soweit es dir möglich ist, ohne dich selbst aufzugeben.
Sprich das, was du als wahr erkannt hast, ruhig und klar aus,
und höre anderen Menschen zu,
auch wenn sie langweilig und unwissend sind,
denn auch sie haben an ihrem Schicksal zu tragen.
Meide die Lauten und Streitsüchtigen.
denn sie sind ein Ärgernis für den Geist.
Vergleiche dich nicht mit anderen,
damit du nicht hochmütig oder verbittert wirst,
denn immer wird es Menschen geben,
die bedeutender oder schwächer sind als du.
Erfreue dich am Erreichten und an deinen Plänen.
Bemühe dich um deinen eigenen Werdegang,
wie bescheiden er auch sein mag;
er ist ein fester Besitz im Wandel der Zeit.
Sei vorsichtig bei deinen Geschäften,
denn die Welt ist voller Trug.
Aber lass deswegen das Gute nicht aus den Augen,
denn auch Tugend ist vorhanden:
Viele streben nach Idealen,
und Helden gibt es überall im Leben.
Sei du selbst.
Täusche vor allem keine falschen Gefühle vor.
Sei auch nicht zynisch, wenn es um Liebe geht,
denn trotz aller Öde und Enttäuschung verdorrt sie nicht,
sondern wächst weiter wie Gras.
Höre freundlich auf den Ratschlag des Alters,
und verzichte mit Würde auf die Dinge der Jugend.
Stärke die Kraft deines Geistes,
so dass sie dich schützt, wenn ein Schicksalsschlag dich trifft.
Doch halte deine Phantasie im Zaum, damit sie dich nicht in Sorge versetzt.
Viele Ängste kommen aus Erschöpfung und Einsamkeit.
Übe gesunde Disziplin,
doch sei gut zu dir selbst.
Genau wie die Bäume und Sterne,
so bist auch du ein Kind des Universums.
Du hast ein Recht auf deine Existenz.
Und ob du es verstehst oder nicht,
entfaltet sich die Welt so wie sie soll.
Bleibe also in Frieden mit Gott,
was immer er für dich bedeutet,
und was immer deine Sehnsüchte und Mühen
in der lärmenden Verworrenheit des Lebens seien –
bewahre den Frieden in deiner Seele.
Trotz allen Täuschungen, aller Mühsal und aller zerronnenen Träumen
ist es dennoch eine schöne Welt.
Sei frohgemut. Strebe danach glücklich zu sein.
Max Ehrmann (1872-1945)